


Man kann sich darüber streiten, ob das Foto eines Mörders unmittelbar nach der Tat auf die Titelseite einer Zeitung oder eines Magazins gehört.
So wie es hier die New York Times thematisiert hat.
Man kann sich aber nicht darüber streiten, ob das Foto von der Erschießung des russischen Botschafters Andrej G. Karlov in Ankara durch den 22 Jahre alten Polizisten Mevlut Mert Altintas brillant ist. Das ist es zweifellos.
AP-Fotograf Burhan Ozbilici hat grandiose Arbeit geleistet. Im Angesicht eines kaltblütigen Mörders, dem das Adrenalin an den Ohren rausläuft, der noch seine Waffe in der Hand hält und den nichts und niemand daran hindern könnte, auch noch die Umstehenden zu erschießen – inklusive des Agenturfotografen -, in einer solchen Lage also nicht abzuhauen wie die anderen, sondern stehen zu bleiben, Nerven zu bewahren und das Bild in dieser Art und Weise zu machen, das verlangt jeden Respekt.
Warum aber ist das Bild so gut? Lebt es vielleicht doch nur vom Schrecken der Szene?
Ich denke nein. Es ist KEIN Schnappschuss. Es ist durchkomponiert. Und das, obwohl Ozbilici keine Chance gehabt hat, seinen Standpunkt zu verändern, um aus einem anderen Winkel, aus einer anderen Position zu fotografieren. Er war gezwungen, aus seiner Lage das Beste zu machen. Und das hat er. Davor kann man nur den Hut ziehen.
Zu Recht ist das Bild beim Wettbewerb World Press Photo 2017 gewürdigt worden.
Burhan Ozbilici – besser: sein lange trainiertes Hirn/Auge – hat todsicher »das Bild gesehen«, bevor er es machte. Auf den Auslöser zu drücken, war nur noch Vollzug.
Die geniale Komposition wird deutlich, wenn man sich das Foto mal näher ansieht und ein paar der gängigen gestalterischen Aufbauraster darüberlegt (ja ja, ich weiß …). Dann zeigt sich die ganze Brillanz dieser Aufnahme. Alle Regeln der Bildgestaltung (ja ja, ich weiß …) sind beherzigt.



Ein wenig hat Ozbilici selbst darüber erzählt, wie das Foto entstand. Man kann es hier – auf Englisch – nachlesen.